Das Ego ist der Feind guter Führung
An seinem ersten Tag als CEO der Carlsberg Gruppe, erhielt Cees 't Hart von seinem Assistenten eine Key Card. Die Karte schloss alle anderen Stockwerke für den Lift aus, so dass er direkt in sein Eckbüro im 20. Stock fahren konnte. Und mit seinen Panoramafenstern bot sein Büro einen atemberaubenden Blick auf Kopenhagen. Das waren Vorteile seiner neuen Position, die von seiner Macht und Bedeutung innerhalb des Unternehmens zeugten.
Cees verbrachte die nächsten zwei Monate damit, sich an seine neuen Aufgaben zu gewöhnen. Während dieser zwei Monate bemerkte er, dass er den ganzen Tag über nur sehr wenige Menschen sah. Da der Lift in den anderen Stockwerken nicht anhält und nur eine ausgewählte Gruppe von Führungskräften im 20. Stock arbeitet, interagierte er selten mit anderen Carlsberg-Mitarbeitenden. Cees entschied sich, von seinem Eckbüro im 20. Stock, zu einem leeren Schreibtisch in ein Grossraumbüro in einer der unteren Etagen zu wechseln.
Auf die Frage nach dem Warum, antwortete Cees: "Wenn ich keine Leute treffe, werde ich nicht erfahren, was sie denken. Und wenn ich den Finger nicht am Puls der Organisation habe, kann ich nicht effektiv führen."
Diese Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Führungskraft aktiv daran gearbeitet hat, das Risiko der Abkapselung zu vermeiden, das mit der Besetzung von Führungspositionen verbunden ist. Und dieses Risiko ist ein echtes Problem für Führungskräfte. Kurz gesagt, je höher eine Führungskraft aufsteigt, desto mehr besteht die Gefahr, dass sie ihr Ego aufgeblasen bekommen. Und je grösser ihr Ego wird, desto mehr laufen sie Gefahr, in einer Blase zu landen und den Kontakt zu ihren Kollegen, der Kultur und letztlich zu ihren Kunden zu verlieren. Lass’ uns diese Dynamik Schritt für Schritt analysieren.
Wenn wir in der Hierarchie aufsteigen, gewinnen wir mehr Macht. Und darum wollen uns die Menschen eher gefallen; indem sie aufmerksamer zuhören, mehr zustimmen und über unsere Witze lachen. All das kitzelt das Ego. Und wenn das Ego gekitzelt wird, wächst es. David Owen, der ehemalige britische Aussenminister und Neurologe, und Jonathan Davidson, Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Duke University, nennen dies das "Hybris-Syndrom": Sie definieren es als "Störung durch den Besitz von Macht, insbesondere der Macht, die mit grossem Erfolg verbunden ist welcher über einen Zeitraum von Jahren anhält".
Ein unkontrolliertes Ego kann unsere Perspektive verzerren oder unsere Werte korrumpieren. Mit den Worten von Jennifer Woo, CEO und Vorsitzende der Lane Crawford Joyce Group, Asiens grösstem Händler für Luxusgüter: "Das Management des Verlangens unseres Egos nach Glück, Ruhm und Einfluss, ist die Hauptverantwortung jeder Führungskraft". Wenn wir im Griff des Egos Verlangen nach mehr Macht gefangen sind, verlieren wir die Kontrolle. Das Ego macht uns anfällig für Manipulationen; es schränkt unser Blickfeld ein, es verdirbt unser Verhalten und veranlasst uns, gegen unsere Werte zu handeln.
Unser Ego ist wie eine Zielscheibe, die wir auf dem Rücken tragen. Und wie jedes Ziel, ist es, je grösser es ist, umso anfälliger für Treffer. Auf diese Weise macht es ein aufgeblasenes Ego anderen leichter, uns auszunutzen. Weil sich unser Ego nach positiver Aufmerksamkeit sehnt, kann es uns anfällig für Manipulationen machen. Es macht uns berechenbar. Wenn die Menschen das wissen, können sie mit unserem Ego spielen. Wenn wir Opfer unseres eigenen Bedürfnisses sind, als grossartig angesehen zu werden, werden wir am Ende dazu gebracht, Entscheidungen zu treffen, die sich nachteilig auf uns selbst, unsere Mitarbeitenden und unsere Organisation auswirken können.
Ein aufgeblasenes Ego verdirbt zudem unser Verhalten. Wenn wir glauben, dass einzig wir die Schöpfer und Architekten des Erfolgs sind, neigen wir dazu, unhöflicher, egoistischer und rücksichtsloser zu werden. Dies gilt insbesondere angesichts von Rückschlägen und Kritik. Auf diese Weise verhindert ein aufgeblasenes Ego, dass wir aus unseren Fehlern lernen und schafft so einen Wall, der es schwierig macht, die nützlichen Lehren, die wir aus Rückschlägen und Kritik ziehen können, zu erkennen.
Schliesslich verengt ein aufgeblasenes Ego unsere Sicht auf die Dinge und verschiebt unseren Blickwinkel. Das Ego sucht immer nach Informationen, die bestätigen, was es hören und glauben will. Ein grosses Ego führt zu einem Bestätigungsfehler (confirmation bias). Aus diesem Grund verlieren wir die Perspektive und landen in einer Blase, in der wir nur sehen und hören, was wir wollen. Dadurch verlieren wir den Kontakt zu den Menschen die wir führen, der Kultur, der wir angehören und letztlich, zu unseren Kunden und Stakeholdern.
Die Befreiung von einem zu protektiven und/oder aufgeblähten Ego und die Vermeidung einer Führungsblase ist eine dringende und herausfordernde Aufgabe. Es erfordert Selbstlosigkeit, Reflexion und Mut.
Hier sind ein paar Tipps, die dir helfen werden:
Betrachte die Vergünstigungen und Privilegien die dir in deiner Rolle angeboten werden. Einige von ihnen ermöglichen es dir, deine Arbeit effektiv zu erledigen. Das ist grossartig. Doch einige davon sind einfach Vergünstigungen, um deinen Status und deine Macht und letztendlich dein Ego zu fördern. Überlege dir, welche deiner Privilegien du loslassen kannst. Es kann der reservierte Parkplatz oder, wie im Fall von Cees’, ein spezieller Pass für den Lift sein.
Unterstütze, entwickle und arbeite mit Menschen, die dein Ego nicht füttern wollen. Stell’ intelligente Leute ein, die das Selbstvertrauen haben, sich zu äussern.
Demut und Dankbarkeit sind Eckpfeiler der Selbstlosigkeit. Mach’ es dir zur Gewohnheit, dir am Ende eines jeden Tages einen Moment Zeit zu nehmen, um über all die Menschen nachzudenken, die dazu beigetragen haben, dass du an diesem Tag erfolgreich warst. Dies hilft dir, ein natürliches Gefühl der Demut zu entwickeln, indem du siehst, dass du nicht die einzige Ursache für deinen Erfolg bist. Und beende die Reflexion, indem du diesen Menschen, im Geist, aktiv eine Botschaft der Dankbarkeit übermittelst.
Ein aufgeblähtes Ego, das mit dem Erfolg kommt - das höhere Gehalt, das schönere Büro, die einfacheren Lacher - gibt uns oft das Gefühl, die abschliessende Bestätigung dafür zu haben, eine gute Führungskraft zu sein. Die Realität ist, dass wir genau die nicht haben. Bei Leadership geht es um Menschen und Menschen verändern sich jeden Tag. Wenn wir aus obigen Gründen glauben, dass wir den universellen und einzigen Schlüssel gefunden haben, um Menschen zu führen, haben wir diesen bereits verloren. Wenn wir unser Ego bestimmen lassen, was wir sehen, was wir hören und was wir glauben, lassen wir zu, dass unsere vergangenen Erfolge unsere künftigen Erfolge schmälern oder gar verhindern.