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Zwischen Fachkräftemangel, längerer Lebensarbeitszeit und Altersdiskriminierung

Die Herausforderung der Arbeitsmarktdynamik

· Veränderung,Development,Human Ressources

Die Herausforderung der Arbeitsmarktdynamik: Zwischen Fachkräftemangel, längerer Lebensarbeitszeit und Altersdiskriminierung

In der dynamischen Landschaft des modernen Arbeitsmarktes manifestieren sich oft scheinbar unüberbrückbare Diskrepanzen zwischen politischen Zielsetzungen, wirtschaftlichen Realitäten und sozialen Herausforderungen. Eine besonders herausfordernde Trias stellt sich dabei in Form der Unvereinbarkeit von Fachkräftemangel, der Forderung nach einer längeren Lebensarbeitszeit bis zum 67. Lebensjahr und der bedauerlichen Realität dar, dass Arbeitssuchende im Alter von 60 Jahren, trotz bester Qualifikationen, oft keine Anstellung mehr finden. Diese Spannungsfelder werfen ein Schlaglicht auf die komplexen Verflechtungen zwischen dem Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften, dem demographischen Wandel und den strukturellen Barrieren im Arbeitsmarkt.

Der Fachkräftemangel, der in vielen Industrieländern als eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gilt, wird von Experten wie Heinrich Alt, ehemaliger Vorstand der Deutschen Bundesagentur für Arbeit, als eine "der grössten Bedrohungen für den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Europas" beschrieben [1]. Insbesondere in technologie- und wissensbasierten Sektoren wird der Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften zunehmend akut, wobei die Alterung der Bevölkerung und der damit einhergehende Rückgang des Arbeitskräftepotenzials diese Problematik verstärken.

Gleichzeitig stehen wir vor der Forderung nach einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit, um den demographischen Wandel zu bewältigen und die Rentensysteme nachhaltig zu sichern. Diese Politik der längeren Lebensarbeitszeit basiert auf ökonomischen Überlegungen sowie dem demographischen Druck und findet breite Unterstützung in politischen Diskursen. Allerdings wird dabei generell übersehen, dass die Realität des Arbeitsmarktes nicht mit dieser Forderung im Einklang steht.

Die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach einer längeren Berufstätigkeit und der tatsächlichen Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist ein Phänomen, das in der Fachliteratur als "Altersdiskriminierung" bezeichnet wird. Forscher wie Axel Börsch-Supan von der Munich Center for the Economics of Aging betonen, dass ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen trotz hoher Qualifikationen sehr häufig Schwierigkeiten haben, eine adäquate Beschäftigung zu finden [2]. Auch eine horizontale Veränderung des Berufsfeldes ist aus denselben Gründen meist unmöglich. Diese Form der Diskriminierung basiert oft auf Stereotypen und Vorurteilen über die Leistungsfähigkeit und Flexibilität älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die jedoch empirisch nicht haltbar sind.

Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert eine multidimensionale Strategie, die sowohl auf strukturelle Veränderungen im Arbeitsmarkt als auch primär auf eine kulturelle Umgestaltung in Bezug auf das Alter und die Beschäftigung abzielt. Massnahmen wie lebenslanges Lernen, die Förderung von Flexibilität und Diversität am Arbeitsplatz sowie die Sensibilisierung für Altersdiskriminierung sind unerlässlich, um eine inklusive und nachhaltige Arbeitswelt zu schaffen.

Insgesamt verdeutlicht die Unvereinbarkeit von Fachkräftemangel, der Forderung nach längerer Lebensarbeitszeit und der Realität der Altersdiskriminierung die Komplexität der Herausforderungen, vor denen die moderne Arbeitswelt steht. Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl strukturelle als auch kulturelle Veränderungen umfasst, können wir eine Zukunft gestalten, in der Arbeitnehmende jeden Alters ihr volles Potenzial entfalten können.

Selbstverständlich, die Bekämpfung von Altersdiskriminierung erfordert ein aktives Engagement der Arbeitgeber sowie strukturelle Veränderungen in Unternehmenskulturen und -praktiken. Hier sind einige konkrete Massnahmen und Veränderungen, die Arbeitgeber ergreifen können, um Altersdiskriminierung zu verhindern:

  1. Sensibilisierung und Schulung: Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeitende regelmässig über Altersdiskriminierung informieren und Sensibilisierungsschulungen anbieten. Diese Schulungen können helfen, Vorurteile und Stereotypen abzubauen und das Bewusstsein für die Vielfalt der Fähigkeiten und Erfahrungen älterer Arbeitnehmer*innen zu schärfen.
  2. Förderung von Diversität und Inklusion: Unternehmen sollten eine Arbeitsumgebung schaffen, die Vielfalt und Inklusion fördert. Dies bedeutet, eine Kultur zu schaffen, in der alle Mitarbeitenden unabhängig von ihrem Alter, Geschlecht, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder anderen Merkmalen respektiert und geschätzt werden.
  3. Flexibilität am Arbeitsplatz: Flexible Arbeitszeitmodelle und -arrangements können älteren Arbeitnehmer*innen helfen, Arbeit und persönliche Verpflichtungen besser zu vereinbaren. Teilzeitmöglichkeiten, Homeoffice-Optionen oder die Möglichkeit, den Übergang in den Ruhestand allmählich zu gestalten, können älteren Arbeitnehmenden den Verbleib im Arbeitsmarkt erleichtern.
  4. Lebenslanges Lernen und Weiterbildung: Arbeitgeber sollten Programme zur Weiterbildung und zur Förderung lebenslangen Lernens anbieten. Dies ermöglicht älteren Arbeitnehmer*innen, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse auf dem neuesten Stand zu halten und sich den Anforderungen des sich wandelnden Arbeitsmarktes anzupassen.
  5. Einführung von altersneutralen Einstellungs- und Beförderungsrichtlinien: Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass ihre Einstellungs- und Beförderungsrichtlinien frei von Altersdiskriminierung sind. Dies bedeutet, dass Entscheidungen basierend auf den Fähigkeiten, Qualifikationen und Leistungen der Mitarbeiternden getroffen werden sollten, unabhängig von ihrem Alter.
  6. Schaffung von Mentorship-Programmen: Mentorship-Programme, bei denen ältere Mitarbeiter*innen jüngere Kollegen unterstützen und ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergeben, können dazu beitragen, den Wert älterer Arbeitnehmer*innen innerhalb des Unternehmens zu betonen und ihr Potenzial voll auszuschöpfen.
  7. Überprüfung und Anpassung von HR-Praktiken: Arbeitgeber sollten regelmässig ihre Personalpraktiken überprüfen und sicherstellen, dass diese frei von Altersdiskriminierung sind. Dies umfasst die Überprüfung von Einstellungsverfahren, Leistungsbeurteilungen, Beförderungsrichtlinien und anderen HR-Praktiken.

Indem Arbeitgeber diese Maßnahmen ergreifen und eine Kultur der Vielfalt, Inklusion und Chancengleichheit fördern, können sie dazu beitragen, Altersdiskriminierung zu bekämpfen und sicherstellen, dass ältere Arbeitnehmer*innen fair behandelt und geschätzt werden.

Quellen:

  1. Alt, H. (2014). Fachkräftemangel: eine der größten Bedrohungen für den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Europas. In: Süddeutsche Zeitung, 25.11.2014.
  2. Börsch-Supan, A. (2019). Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. In: Wirtschaftsdienst, 99(5), 346-352.